Unabhängigkeitsbewegung Papuas
Liebe Leser*innen,
heute möchte ich ein sehr aktuelles Thema ansprechen: die Unabhängigkeit Papuas. In den letzten Berichten wurde das Thema immer wieder angeschnitten, doch dieser Blogeintrag soll einen umfassenden Überblick verschaffen. Alles ist aus der Perspektive einer weißen Touristin geschrieben, trotzdem habe ich viel recherchiert und mich mit einheimischen Menschen vor Ort ausgetauscht, um informiert berichten zu können.
Geschichte
Indonesien hat eine kolonialbelastete Vergangenheit, seitdem die ersten Europäer 1511 aus Portugal Indonesien mit dem Schiff erreichten und es für seine Gewürze und Rohstoffe ausraubten (Enough is Enough). Portugal war jedoch nicht das einzige Land, das sich für das ressourcenreiche Indonesien interessierte.
Von 1602 bis 1942, also über drei Jahrhunderte hinweg, übernahmen die Niederlande – zunächst durch die Vereinigte Ostindische Kompanie (VOC) – die Kontrolle und errichteten ein Handelsmonopol (Enough is Enough). Nach dem Bankrott der VOC wurde dem niederländischen Staat die Macht übertragen. In dieser Epoche musste Indonesien sehr viel Leid ertragen, etwa durch das Kultursystem, ein Zwangsanbausystem, bei dem Bauern gezwungen wurden, Exportgüter wie Kaffee, Zucker oder Indigo für die Kolonialmächte zu produzieren, was zu weit verbreiteter Armut und Hungersnöten führte (Enough is Enough).
Im Zweiten Weltkrieg (1942–1949) wurde Indonesien von Japan besetzt, wobei Japan anti-niederländische Bewegungen förderte und Unabhängigkeit versprach (Enough is Enough). Nach der Kapitulation Japans am 17. August 1945 rief Sukarno, der erste Präsident, die indonesische Unabhängigkeit aus (Enough is Enough). Die Niederlande versuchten, die Kolonie zurückzuerobern, was zum Indonesischen Unabhängigkeitskrieg (1945–1949) führte, doch nach internationalen Protesten erkannten sie schließlich am 27. Dezember 1949 die Unabhängigkeit Indonesiens an (Enough is Enough).
Nicht jedoch für Papua: Dieses Gebiet behielten die Niederlande zunächst und versprachen dort eine schrittweise Entkolonialisierung, während Präsident Sukarno Papua als integralen Bestandteil Indonesiens betrachtete und sich diplomatisch, militärisch und politisch für dessen Eingliederung einsetzte (Enough is Enough).
Unzufriedenheit
Viele Papuaner*innen hatten damit ein Problem, weshalb sich immer wieder Konflikte zwischen Unabhängigkeitskämpfern und dem indonesischen Militär zuspitzten (ACLED). Der erste bewaffnete Konflikt soll 1965 in Manokwari stattgefunden haben, bei dem 18 indonesische Soldaten und 4 Unabhängigkeitskämpfer starben (ACLED). Die indonesische Armee reagierte mit massiven Militäroperationen, brannte Dörfer nieder und führte Luftangriffe durch (ACLED).
„Volksabstimmung“
Um den Konflikt offiziell zu beenden, beharrte der indonesische Staat darauf, 1969 eine Volksabstimmung mit dem Namen „The Act of Free Choice“ abzuhalten, bei der Papuaner*innen selbst entscheiden sollten, ob sie Teil Indonesiens sein oder unabhängig werden wollten (ACLED). Dieses Referendum ist bis heute höchst umstritten, denn statt einer freien Wahl durften nur 1.025 handverlesene Personen aus über 800.000 Papuaner*innen abstimmen (ACLED). Unter gewaltigem Druck und militärischer Einschüchterung soll diese Wahl stattgefunden haben (ICTJ). Zudem wurden bereits zuvor zahlreiche politische Aktivisten verhaftet oder ins Exil geschickt (ICTJ). Dementsprechend entstand das von der indonesischen Regierung gewünschte Endergebnis, und Papua wurde offiziell als Teil Indonesiens angesehen (ACLED).
Die Regierung argumentierte, dass die Abstimmung durch logistische Umstände wie die fehlende Infrastruktur gerechtfertigt sei, wobei die Wahl von zahlreichen Unabhängigkeitskämpfern nicht anerkannt wird (ACLED). Sie betiteln den Prozess sogar als „Act of No Choice“ (ACLED).
Organisasi Papua Merdeka
Als Antwort auf diese Ungerechtigkeit bildete sich die Organisation Papuanischer Unabhängigkeit – kurz OPM (Survival). Am 1. Juli 1971 erklärte die OPM die Unabhängigkeit West-Papuas, und im Jahr 2018 erklärte sie offiziell Krieg gegen den indonesischen Staat (Survival). Mit der Zeit hat sich die Organisation zu einer starken und bedrohlichen Kraft gegen das Militär entwickelt, was zu einer deutlichen Zunahme bewaffneter Konflikte führte (Survival). Die TPNPB, ein Unterflügel der OPM, wurde als „terroristische Organisation“ eingestuft, nachdem sie im April 2021 den Leiter des staatlichen Geheimdienstes tötete (Survival). Diese Einstufung soll verhindern, dass der TPNPB an finanzielle Mittel gelangt und somit seine Aktivitäten eingedämmt werden (Survival).
Morgensternflagge
Das bekannteste Zeichen der Unabhängigkeit Papuas ist die sogenannte Morgensternflagge, die auch als Wahrzeichen der OPM gilt (Survival). Ein Freund erklärt mir, dass die insgesamt 13 Streifen für die 13 Provinzen Papuas stehen, 7 blaue für die 7 Tage, die Gott brauchte, um die Welt zu erschaffen, und 6 weiße für den sechsten Tag, an dem die Menschen erschaffen wurden (Survival). Der Stern selbst soll Gott repräsentieren und das Symbol des Morgensterns für die Hoffnung auf ein besseres Leben stehen (Survival).
Verbreitet sieht man die Flagge immer wieder auf den Straßen Papuas, sei es als Muster auf traditionellen Noken-Taschen, als Armbänder oder als Sticker auf Laptops (Survival).
Trotz der weiten Verbreitung muss man mit dem Thema auch als Freiwillige*r sehr vorsichtig umgehen – denn offiziell war die Morgensternflagge sogar schon mal illegal (Amnesty). Und selbst nachdem Präsidentin Megawati Sukarnoputri 2002 das sogenannte Sonderautonomiegesetz formulierte, welches das Hissen der Flagge erlaubte, solange die indonesische Flagge über der Morgensternflagge hängt, drohen harte Strafen (Amnesty). Bei einem Vorfall im Jahr 2004 zum Beispiel wurde ein Mann namens Filep Karma verhaftet, weil er bei einer Feier zum Jahrestag der Unabhängigkeit Papuas von den Niederlanden die Flagge gehisst hatte, und daraufhin wegen Hochverrats zu 15 Jahren Haft verurteilt wurde (Amnesty).
Zukunft Papuas
Die Zukunftsperspektive für Papua bleibt komplex und unsicher. Es gibt so viele verschiedene Meinungen zu dem Thema, wie es Einwohner*innen in Papua gibt, und es ist auch für mich schwierig, ein klares „Ja!“ oder ein klares „Nein!“ zu formulieren. Ich hatte deshalb meinen besten Freund Apin nach seiner Meinung zu dem Thema gefragt, und dieser meinte Folgendes: „I don’t agree with the independence because Papua isn’t ready yet“ (eigene Aussage). Für ihn ist die Unabhängigkeit also nicht ausgeschlossen, jedoch empfindet er Papua zum jetzigen Zeitpunkt als noch nicht bereit, um ein unabhängiges Land zu werden.
Was haltet ihr denn davon?- Unabhängigkeit oder Verbleib als Teil Indonesiens?
Das war’s auch schon mit meinem Bericht über die Unabhängigkeit Papuas. Ich hoffe, ihr habt das eine oder andere dazu gelernt und findet die politische und soziale Lage Papuas in Indonesien genauso spannend wie ich!
Ihr werdet von mir hören,
Ava
Quellen:
Enough is Enough: https://www.ictj.org/sites/default/files/ICTJ-IDN-Enough-Women_Papua-Report-2010.pdf
ACLED: https://acleddata.com/2022/10/05/papuan-independence-and-political-disorder-in-indonesia/
ICTJ: https://www.ictj.org/sites/default/files/ICTJ-ELSHAM-Indonesia-Papua-2012-English.pdf
Amnesty: https://www.amnesty.org.uk/papua
Survival: https://www.survivalinternational.de/nachrichten/7917
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